AdelVerpflichtet

Alasdair Und Der Kobold

Das Ziel vor Augen. Dieses Mal wird sie ihn kriegen! Das Messer gezückt. Vorsichtig Anschleichen. Sie springt! Und fällt durch den alten Mann hindurch auf den Boden. Verdutzt sieht sich die Koboldin um.

"Ich fragte mich schon, wann Du kommen würdest", murmelt der Alte.

"Stirb endlich!" schreit die Koboldin und wirft ihm ihr Messer an den Kopf, welches jedoch wieder durch ihn hindurch fliegt. "Was ist diese Hexerei?!"

"Du bist tot.", sagt Alasdair.

"Ist das eine Drohung? Probier's doch! Du kannst ja nicht mal mehr gerade stehen Du alter Sack!"

"Nein, das ist eine Tatsache."

"Ich... Ich verstehe nicht."

"Vorgestern am Fluss. Da habe ich Dich inzwei geschnitten. Schau, die Wunde hast Du noch." Er seufzt. "Lass mich bitte in Ruhe, ich muss mich auf meine Wache konzentrieren. Es könnte noch etwas kommen was tatsächlich eine Gefahr ist."

Sie schaut an sich herunter und erstarrt als sie die große Schnittwunde sieht. "Ich bin... Tot?"

Er nickt, geistesabwesend.

"Oh Kurtulmak. Ist das hier dann die Nachwelt?"

"Ein Fluch. Das ist was es ist. Geh bitte."

"Du kannst Dich nicht einfach mein ganzes Leben umkrempeln und dann so tun als ob nichts wäre."

"Beenden. Nicht umgekrempeln. Beenden. Außerdem, es ist 'Sie', bitte. Und 'Lord'."

Die Koboldin ignoriert Alasdair völlig. "Du schuldest mir eine Erklärung, Du alter Knacker!"

"Hör mal, Du kleine..."

Ein noch älterer Mann, gekleided in feinen Gewändern erscheint. "Alasdair. Was haben wir über Empathie gesagt?"

"Nicht jetzt, Vater."

"Verurteile sie nicht. Zumindest nicht, bevor Du eine Meile in ihren Schuhen gelaufen bist."

"Seit wann hast Du denn die Weisheit mit Löffeln gefressen?"

"Seit ich hier viel Zeit zum Nachdenken hatte, mein Sohn."

"Ruhe ihr beiden! Was zum Geier ist hier überhaupt los?", schreit die Koboldin.

Alasdair schaut noch einmal kurz zu seinem Vater und beginnt zu erklären. "Vor langer Zeit habe ich meinen Vater ermordet. Seit dem kommen die Seelen manchmal wieder zu mir zurück. Ich habe keine Ahnung wie das passieren konnte, und eben so wenig weiß ich, wie man das wieder ungeschehen machen kann."

"Hatte er es denn verdient?" fragt die Koboldin.

Alasdair und sein verstorbener Vater Fürst Fergus schauen sich an. "Ja", sagt Alasdair, "Eh. Wahrscheinlich. Hätte ich an seiner Stelle auch so gemacht.", sein Vater.

Die Koboldin schaut plötzlich besorgt: "Meine Familie! Was ist mit meinem Mann? Und den Kindern?"

"Die müssen sich jetzt wohl eine neue Dame der Familie suchen", sagt Alasdair, sieht aber den eisernen Blick seines alten Herren, und fügt hinzu, "Schau. Es tut mir Leid, was passiert ist. Aber Wegelagerei ist nun mal ein gefährlicher Beruf."

"Als ob ich mir das ausgesucht hätte! Du weißt ja gar nicht wie hart es ist eine Familie zu ernähren in dieser Zeit. Der Bau ist ständig überflutet, die Kakerlaken werden langsam knapp. Und all die Reparaturen lassen kaum Zeit zum Jagen."

"Schau, Kleine. Mit harter Arbeit und Durchsetzungsvermögen ist das doch zu schaffen. Ich habe auch meine Kinder groß gezogen. Und mir meinen Stand erkämpft.", sagt Alasdair, und fügt bitter hinzu: "Bis er mir genommen wurde."

Sprachlos starrt die Koboldin Alasdair an. "... sagt der Adlige."

"Ja. Sagt der Adlige. Warum? Was macht das denn für einen Unterschied?"

Die Erkenntnis steht ihr ins Gesicht geschrieben. "Oh. Oh, Kurtulmak. Du weißt es wirklich nicht. Wie das Kleinvolk lebt."

"Und Du hast keine Ahnung mit welchen Problemen sich der Adel herumschlagen muss. Und ich insbesondere. Nicht nur, dass ich meinen Thron verloren habe, ich muss mich auch mit so Gewürm wie Dir herumschlagen."

Die Koboldin schnappt nach Luft. "Das ist nicht das Letzte was Du von mir hörst! Das werden wir später noch mal ausdiskutieren." Grimmig fügt sie hinzu: "Scheinbar habe ich ja jetzt viel Zeit für solche Sachen." Schließlich verschwindet sie im Dickicht.

"Ja, das habe ich befürchtet", seufzt Alasdair.

Fürst Fergus setzt an, "Du könntest es ihr, aber auch Dir selbst viel einfacher machen, wenn..."

"Ja ja, Vater. Ich weiß. Aber heute ist echt kein guter Tag für so etwas." Alasdair reibt sich das Gesicht.

"Es ist nie ein guter Tag 'für so etwas'. Das sollte Dich aber nicht davon abhalten zu reflektieren und Mitgefühl zu entwickeln." Der Fürst nickt seinem Sohn noch ein mal zu und verblasst schließlich.

Ein kleines, fahles Gesicht erscheint im Eingang eines Zeltes. Liadain reibt sich schlaftrunken die Augen. "Onkel? Ist da wer? Mit wem redest Du?"

"Den Konsequenzen meiner Taten", seufzt Alasdair. "Geh wieder schlafen, Liadain. Es ist alles in Ordnung hier."