Fathoms

Catharina De Martinez

"Ja, die kenn ich! Die hat hier fast jeden Abend gespielt." verkündete der Tavernenbesitzer der "Hölzenen Jungfrau" stolz. "Eine atemberaubende Schönheit. Und ganz schöne Instrumente, wenn Ihr wisst was ich meine!" und ein hustendes Lachen entfährt ihm aus dem eher zahnlosen Mund. "Sie war hier!" verkündete Don Fernando el Conte de Martinez zu seinen eher gelangweilt wirkenden Begleitern. "Sprich schon, wie lange ist es her, seit dem du sie das letzte Mal gesehen hast?" - das Gesicht des Conte verzog sich ungehalten. "Sie war schon länger nicht mehr hier, aber vor etwa vier Tagen hab ich sie spielen gehört - drüben im "gepanschten Grog" - unvergesslich diese Stimme. Die hatten an dem Tag sicher das zehnfache an Einnahmen!" geriet der Alte ins Schwärmen. Don Fernando gelang es daher nur mit Mühe herauszufinden, dass sie scheinbar an einem Schiff angeheuert hatte und New Madrid vor Kurzem verlassen hatte.

Wütend ging er in seiner Kajüte auf und ab. Wieder war ihm Catharina entkommen, obwohl er einer "sehr heissen Spur" folgte, wie sein Adjutant Hernan ihm immer wieder versuchte glaubhaft zu machen. "Verdammt! Ich will meine Frau zurück!" schrie er ihn an. "Und wenn wir ihrer nicht habhaft werden können, dann schaffen das vielleicht andere. Lass einen Anschlag vorbereiten und setze ein Lösegeld auf sie aus. Ich will sie haben!" wieß er Hernan an und fügte etwas leiser hinzu: "lebendig."


Catharina schreckte auf, sie hatte unruhig geschlafen. Langsam schritt sie die steinernen Stiegen von ihrer Kammer hinab in den Innenhof. Der Mond war fast voll, hing hell leuchtend über dem Eingangstor der Hacienda und warf lange Schatten auf den Boden. In der Entfernung war Gegröhle zu hören, vermutlich unten vom Steg. Seit Fernando und die Männer auf diese gottlose Welt kamen, waren sie noch brutaler, noch hemmungsloser geworden. Zugegeben - als junges Mädchen war sie beeindruckt von seinen Geschichten, vom großen Reichtum und vom Abenteuer auf großer See. Er kam wie sie von gutem Hause und schien ehrlich um sie bemüht zu sein, als sie ins heiratsfähige Alter kam. Ihre Eltern ließen sie nur ungern gehen, noch dazu zu einem Seemann.

Sie war dann zu ihm gezogen, auf seine Hacienda auf die Isla de Tortugo vor Caracas draussen auf dem Meer. Sie war oft allein, wenn Fernando und viele der Leute in See stachen. Sie kümmerte sich um die Bediensteten, das Haus und die Pferde und freute sich auf die Rückkehr ihres Mannes, der ihr auch nicht selten hübsche Kostbarkeiten mitbrachte. Eines Tages allerdings machten sie den Landfall nicht wie gewohnt feiernd, sondern man merkte sofort das etwas nicht stimmte. Catharina sollte ihre wichtigesten Habseeligkeiten zusammenpacken und mit den anderen zurück aufs Schiff. Das meiste wurde zurückgelassen - eine große Flotte unter englischer und holländischer Flagge sei unterwegs, man müsse fliehen. An Bord sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Überall Blut, Körperteile, Leichen. Viel zu viel für Catharina, die sich unter Deck verängstigt verkroch.

"Hola Mägdlein, ich werde dir ein wenig zur Hand gehen!", tönte es lallend aus einem Eck und unterbrach sie in ihren Gedanken. Ein breiter Schatten bewegte sich schwankend auf sie zu. Sie lies das Seil los, mit dem sie gerade im Begriff war sich etwas Wasser aus dem Brunnen zu holen und richtete sich auf. Mit einem dumpfen Platschen fiel der Eimer in den Brunnen zurück - dann war es plötzlich gespenstisch still. "Oh, Ihr seid das!", grunzte Wilbert Windschief, der hinkende Schiffstischler und machte dabei eine komisch anmutende Abwehrgeste. Es war einer dieser Masquani - menschenähnliche Gestalten, die allerdings oft bestimmte körperliche Merkmale übertrieben ausgeprägt haben - die sie aus dem großen Nebel retteten als sie schon fast am Ertrinken waren.

Als sie von der ankommenden Flotte flohen und diese begann Jagd auf sie zu machen wachte Catharina eines Tages auf und rings um sie herum war Nebel. Und kein Lüftchen Wind war zu spüren. Dennoch bemerkten sie, dass sie einiges an Fahrt machten. Das Wasser schien sie weiter zu treiben. Als sich die Schwaden zunehmend verdichteten war ein Tosen und ein Brausen zu hören, das immer lauter wurde. die Strömung und die Wellen nahmen zu und plötzlich war es so als fielen sie alle mitsamt den Schiffen nach unten. Nach endlosen Sekunden kamen sie mit großem Krachen auf der Oberfläche einer neuen Welt an.

Völlig durchnässt und mit den letzten Kräften rettete sich Catharina auf ein im Wasser treibendes Fass und klammerte sich fest. Um sie herum waren Trümmer, Nebel, Rauch und leise Stimmen, die nach Hilfe schrien. Unter ihnen war auch Fernando, der sich etwas abseits mit Mühe über Wasser hielt. Ohne zu zögern sprang sie zurück in die kalten Fluten um ihn wenige Augenblicke später völlig entkräftet auf das Fass zu hieven. In jenen Tagen versprach er ihr viel und sie war glücklich. Er gelobte ihr Besserung und sie glaubte ihm aus Liebe.

Abrupt drehte sie sich zu der wankenden Gestalt und verlangte von ihm Hilfe bei ihrem, durch die Erinnerung an jene Tage und Nächte auf See getriebenem, Vorhaben Fernando jetzt und für immer zu verlassen. Geschickt konnte sie Wilbert dazu bringen die beiden zur Wache abkommandierten Trunkenbolde soweit abzulenken, dass sie in einem unbeobachteten Augenblick bis hinter einem nahe gelegenen Busch in Deckung gehen zu konnte. Von dort aus erreichte sie wenig später die Schiffe, von denen sie sich ein kleines wendiges Fischerboot aussuchte und mit diesem der Küste entlang bis nach New Madrid zu fliehen.


(... to be continued ...)